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Herbstbrief 2020

Herbstbrief  2020 als Bild, beidseitig
Herbstbrief 2020 als Bild, beidseitig

Liebe Mitglieder, liebe Freundinnen und Freunde des Vereins 

Vogelschutzwarte Storchenhof Loburg e.V.,

für uns alle stand dieses Jahr unter einem völlig neuen Stern. Wie unzählige andere Einrichtungen und Unternehmen in Sachsen-Anhalt war auch der Storchenhof im Frühjahr von den gut zwei Monate andauernden Schließungen betroffen. Leider entging unseren Besuchern, darunter vielen langfristig angemeldeten Schulklassen, damit der spannendste Teil der Storchensaison. Ab

Ende Mai durften wir aber – unter den bekannten Auflagen – wieder Gäste empfangen. So konnten wir bis Ende September doch noch ca. 8.000 Besuchern im Rahmen unserer Führungen die so wichtige Natur- Mensch- Beziehung vermitteln. Wir können nur hoffen, dass die Coronakrise den Umgang und die Einstellung zur Natur revolutioniert.

Die unerwartet „besucherfreie Zeit“ gab uns zum Saisonbeginn allerdings auch Gelegenheit, das Hauptaugenmerk einmal verstärkt auf die geländepflegerischen Tätigkeiten zu lenken. An vielen Stellen konnten so zum Teil überfällige Arbeiten erledigt, Kleinigkeiten repariert, Pflanzen gepflanzt und gepflegt, Nistkästen repariert oder neu installiert, Materialien sortiert werden und noch einiges mehr. Die Büroarbeit hatte ebenfalls keine Schließzeit und auch unsere Aufgaben als Anerkannte

Naturschutzvereinigung (ANV) des Landes Sachsen-Anhalt nahmen wir während dieser Zeit wie auch im Rest des Jahres wahr.

Wie wichtig die Weiterführung des Storchenhofbetriebes auch unabhängig von unserem Umweltbildungsauftrag ist, zeigte sich einmal mehr an den Zahlen der aufgenommenen Vögel. Insgesamt 141 Pfleglinge wurden uns bisher in diesem Jahr überbracht. Neben 46 Weißstörchen und einem Schwarzstorch wurden auch 34 Greifvögel sowie 54 sonstige Wildvögel, drei geschwächte Brieftauben aber auch eine Fledermaus und zwei Ringelnattern eingeliefert (letztere beiden konnten sofort wieder frei gelassen werden). So mancher, insbesondere kleiner Pflegling machte uns in diesem Jahr große Sorgen. Viele konnten wir aber retten und am Ende erfolgreich auswildern. Auffallend hoch im Vergleich zu den Vorjahren waren dabei die Zahlen der (überwiegend jungen) Eulen (15) und auch der Ringeltauben (12). Das waren aber bei weitem nicht die einzigen tierischen Ungewöhnlichkeiten.

So rätselten wir zum Saisonbeginn über die Ursache, die gleich mehrere Störche aus verschiedenen Regionen Sachsen-Anhalts und Brandenburgs stark geschwächt zu uns auf den Hof führte. Ein kleiner Parasit bot sich schließlich als des Rätsels Lösung an. Cathaemasia hians, so der wissenschaftliche Artname, ist ein nicht ganz 1 cm langer Saugwurm (ähnlich einem Blutegel), der sich im Hals von Störchen ansiedeln kann. Solange der Vogel ansonsten bei bester Gesundheit ist, richtet er dort keine größeren Schäden an. Bei unseren Patienten hingegen konnte sich C. hians so gut vermehren, dass er zum ernsten Problem für seinen Wirt wurde.

Die nächste Überraschung ereilte uns im April als in Nutha (bei Zerbst) ein an einer Stromleitung verunglückter Storch gefunden wurde. Wer die dann folgende, geradezu überschäumende, teils sogar internationale Medienberichterstattung zu diesem Fall verfolgt hat, weiß, dass das kein ganz normaler Fall war. Neben dem großen Unglück war hierbei nämlich auch eine ganze Menge Glück im Spiel. Zwar war „Frau Storch“ an besagter Stromleitung zu Tode gekommen, nicht jedoch ihr ungeschlüpftes Kind. Dieses befand sich noch gut geschützt im Ei in Mutters Bauch. Von Menschenhand per „Kaiserschnitt entbunden“ (wie sein mythologischer Namenspate) wurde der kleine Asklepios gemeinsam mit sechs weiteren Waisenkindern durch unsere fleißige Pute Erna ausgebrütet. Im Alter von vier Wochen wurde das putzmuntere Storchenkind auf unserem Wiesenhorst in seine Adoptivfamilie integriert. Benjamin und Ulrike sowie deren zwei eigene Kinder nahmen das neue Familienmitglied problemlos auf und nach zwei weiteren Monaten flogen alle drei Jungstörche erfolgreich aus.

Die wildlebenden Storchenhofbewohner ließen ebenfalls spannende Beobachtungen zu. Ob es nun am wesentlich ruhigeren „Bodenbetrieb“ oder den neu installierten Nistkästen lag, lässt sich im Nachhinein schwer sagen, aber bereits ab Februar konnten wir einige Dohlen dabei beobachten, wie sie im o.g. Wiesenhorst von unten und seitlich Gänge anlegten. Die neu installierten Nistkästen fanden ebenfalls recht bald regen Anklang bei ebenjenen Rabenvögeln. Das freute uns sehr, weil wir bereits vor vielen Jahren Ansiedlungsversuche auf dem Storchenhof unternommen hatten. Leider waren diese letztendlich auch in diesem Jahr nicht von Erfolg gekrönt. Plötzlich waren die Dohlen verschwunden. Turmfalken hatten sich durchgesetzt und das frisch gemachte Dohlennest okkupiert. Sie brüteten schließlich erfolgreich in der unteren Etage des Storchenhochhauses.

Gegenwärtig läuft die Weißstorchbestandserfassung der NABU-Bundesarbeitsgruppe Weißstorchschutz für Gesamtdeutschland. Nach ersten Einschätzungen scheint 2020 ein mittleres Storchenjahr gewesen zu sein, wobei die Reproduktionsergebnisse besser als in den vorangegangenen zwei Jahren ausgefallen sein dürften. Leider muss in diesem Jahr der traditionelle Sachsen-Anhaltische Storchentag und mit ihm auch die Präsentation der Bestandsergebnisse und vieler weiterer interessanter Beiträge ausfallen. Wir arbeiten jedoch aktuell an der Erstellung des Mitteilungsblattes und werden dieses, sobald es fertig ist, wieder auf der NABU-Seite sowie auch in Papierform veröffentlichen.

Alle bisherigen Bestandsergebnisse bis 2018 sind in unserem 4. Jubiläumsband Weißstorch zusammengefasst. Eine Bestellung des umfangreichen Werkes, das neben viel fachlichem Inhalt auch unsere 40-jährige Geschichte fotografisch sehr aufgelockert umreißt und gegen eine Schutzgebühr von 20,- € bei uns zu beziehen ist, würde uns sehr freuen.

Die teils enorme Spendenbereitschaft unserem Verein gegenüber berührt uns in diesem unerwartet speziellen Jahr sehr. Die finanzielle Unterstützung ist unentbehrlich für die Aufrechterhaltung unseres Betriebes und die Verbesserung unserer Infrastruktur (z.B. durch den Ausbau der ehemaligen Gaststätte), die zukünftige Besuche noch spannender gestalten und unseren  Handlungsspielraum, insbesondere im Bereich der Umweltbildung, nochmals deutlich erweitern soll. An dieser Stelle möchten wir uns auch für die Förderung durch das Land Sachsen-Anhalt bedanken.

Dankbar sind wir besonders auch für die ehrenamtlich helfenden Hände der Jugendlichen des Freiwilligen Ökologischen Jahres (kurz FÖJ), Praktikanten und Vereinsmitglieder, allen voran unserer treuen Seele, Hannelore Leißner und unserem „Internet- und Social Media - Team“ Petra und Holger Meyer. Die langjährige 14-tägige Unterstützung durch die JVA Burg fand leider im Juni ein jähes Ende als uns unser sehr geschätzter Heiko Böhme unerwartet und viel zu früh verließ. Wir waren von dieser Nachricht sehr betroffen und sind in Gedanken bei seinen Angehörigen.

Nach diesem turbulenten Jahr sehen wir der Zukunft dennoch positiv entgegen. Möglich ist das insbesondere dank der weitsichtigen und flexiblen Tätigkeit des Vorstandes mit der Geschäftsführung und der aufopferungsvollen Arbeit der Storchenhofmannschaft. Unentbehrlich ist die Unterstützung der Vereinsmitglieder, Sympathisanten, Gäste und Besucher und das wohlwollende Entgegenkommen von Politik, Verwaltung, Betrieben, Einrichtungen und Vereinen und so wünschen wir uns:

Bleiben Sie/Ihr gesund und in unserem Einsatz für Mensch und Natur auch weiterhin an unserer Seite.

Mit ganz herzlichen Grüßen und guten Wünschen Ihr/Euer

Christoph Kaatz und alle Storchenhofbewohner

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